Christines Blog

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Gedanken macht man sich immer. Manche führen in eine Sackgasse, andere wiederum in Abgründe. Einige andere jedoch führen uns weiter, manchmal bis zu einem Ziel.

Lassen Sie sich entführen.

zwischen Angst und Angriff

Kürzlich ist mir etwas widerfahren, von dem ich nie im Leben angenommen hätte, dass es mir passieren könnte: Ich wurde Opfer eines Überfalls.

Auf offener Straße, und zwar einer Straße, die trotz der späten Stunde von 23 Uhr noch recht rege frequentiert war. Von Autos und Fußgängern. Es handelte sich um die Hauptstraße unseres Urlaubsortes, die zum Strand führte.

Soeben hatte ich das Auto in einer Seitenstraße geparkt und befand mich auf dem Rückweg zu unserer Ferienwohnung. Wo meine Familie auf mich wartete, die ich vorher dort herausgelassen hatte. Wir waren gerade vom Essen zurückgekehrt, inklusive Sonnenuntergang und Straßensänger. Und es war total kitschig-schön. Der Weg zurück zur Wohnung nahm ca. 10 Minuten in Anspruch und reichte für eine Zigarette.

Gerade war ich auf die besagte Hauptstraße abgebogen, als mir 2 Typen entgegenkamen. Und mein 7. Sinn schlug Alarm. Man kennt das. Die Art, wie sie gingen, wie sie mich im Vorbeigehen musterten, wie sie redeten. Das gefiel mir nicht. Beide waren jünger und kräftiger und größer als ich, dunkel gekleidet, einer mit Hoodie und Kapuze auf, der andere glatzköpfig mit Sonnenbrille.

Ich ging weiter, drehte mich nach etwa 20 Metern vorsichtig um. Und stellte fest, dass sie mir folgten. Verdammt, dachte ich, jetzt bleib einfach cool, ist vielleicht nur ein blöder Zufall. Doch dann ging alles ganz schnell. Der Glatzkopf stellte sich vor mich, der andere hinter mich. Der Glatzkopf packte meine Schulter und faselte irgendwas, das ich nicht verstand. Der andere mit dem Hoodie gab mir von hinten einen Schupser. Meine Tasche, die ich über den Kopf quer vor dem Oberkörper trug, drückte ich noch fester an mich. Und der Glatzkopf wiederholte seine Worte und ich wurde erneut geschuppst.

Leider war in dem Moment niemand zu sehen. Weit und breit nicht. Scheiße, verdammte. Aber wissen Sie was? In dem Moment hatte ich plötzlich keine richtige Angst. Klar, mir war nicht wohl. Aber ich war vielmehr GENERVT und ANGEPISST. So kann man es eher sagen. Die beiden stiegen mir allmählich auf den Sack. Also nahm ich einen tiefen Zug von meiner Zigarette und fragte den Glatzkopf: Ist dir eigentlich klar, dass ich dein ganzes Gefasel überhaupt nicht verstehe? – Ah, deutsch! antwortete er, gut, wir wollen dein Geld, sofort!

Und da tillte ich aus. Wurde richtig richtig laut. Habe sie angeschrien, angemeckert. Dem einen warf ich die Zigarette ins Gesicht, dem anderen spuckte ich meinen Kaugummi in die Labbe. Habe wie wild um mich gehauen und geschimpft wie ein Berserker. Glaubt ihr etwa, ich habe jetzt Angst, hä? Und gebe euch einfach so mein Geld? Wie bescheuert muss man denn sein? Nur weil ihr zwei Halbstarken hier auftaucht? Sucht euch doch zwei Männer, mit denen ihr euch anlegt! Aber dazu seid ihr zu feige! Ihr Schlappschwänze!

Ich möchte mich hier nicht auf die Reihenfolge des Gesagten festlegen. Aber es kam von mir sehr sehr laut, aggressiv, gewalttätig. Während ich so in Rage war, näherte sich an der Haltestelle in 10 Metern Entfernung ein Bus und die beiden trollten sich schnellen Schrittes in eine Seitenstraße. Schnell ergriff ich die Chance und hängte mich an 3 Leute, die in meine Richtung gingen und war nach 50 Metern an der Wohnung. Fix und fertig.

Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Wenn einer zugeschlagen hätte. Oder ein Messer dabei gehabt hätte. Oder, oder, oder. Aber einfach so, durch die bloße Präsenz dieser beiden Männer, wollte ich nicht mein ganzes Hab und Gut rausrücken. Autoschlüssel, Portemonnaie mit allen Papieren und 150 Euro, der 2. Schlüssel zur Wohnung. Und wenn ich so darüber nachdenke – ich weiß genau, es war unvernünftig, so zu handeln. Hätte mir einer sofort ein Messer an den Hals gehalten, hätte ich bestimmt auch anders reagiert. Mir ging es aber in dem Moment darum, dass sie wohl auf Einschüchterung gehofft haben. Und das reicht nicht. Dafür gebe ich mein Zeug nicht her.

Würde ich es noch einmal tun? Was ging da nur in mir vor? Wo war meine Angst geblieben in diesem Moment? Diese Gedanken beschäftigen mich seitdem immer wieder aufs Neue. Zu einem richtigen Ergebnis bin ich noch nicht gekommen. Ich denke, dass es einen ganz dünnen Grat gibt, in dem man entscheidet, ob sich Gegenwehr lohnt. Und was dazukommt: Das Ganze geht in der Regel sehr schnell, fast intuitiv. Zeit zum Nachdenken und Abwägen der Vor- und Nachteile bleibt nicht viel. Und auch die Umstände spielen eine große Rolle. Hier war es eine Hauptstraße, die Täter hatten keine sichtbaren Waffen. Hätten sie ein Messer oder ähnliches gehabt, wäre ich bestimmt auch nicht so großschnäuzig aufgetreten.

Alles zusammengenommen hatte ich Glück. Ich wünsche das jedem, der diesen Text liest.

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