Christines Blog

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Gedanken macht man sich immer. Manche führen in eine Sackgasse, andere wiederum in Abgründe. Einige andere jedoch führen uns weiter, manchmal bis zu einem Ziel.

Lassen Sie sich entführen.

Depressionen – ein Plädoyer

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Wir alle kennen die Symptome und Anzeichen, die einer Depression innewohnen. Der Rückzug und Interessenverlust, die Traurigkeit und Niedergeschlagenheit, die Antriebs- und Lustlosigkeit, die fürchterlichen Schlafstörungen, den Appetitverlust, das Gedankenrasen in einer negativen Abwärtsspirale.

Jedem von uns geht es einmal richtig schlecht. Und die Gründe dafür sind jeweils so unterschiedlich wie wir Menschen auch: Umzug, Trauer, Trennung, Menopause, Konflikte. Alle davon haben ihre Berechtigung.

Ab wann sollten nun unsere Alarmglocken angehen? Wann ist die Grenze zwischen „schlechter Phase“ und „Depressionen“ überschritten?

Eine klare Definition gibt die ICD-10, die Internationale statistische Klassifikation aller Krankheiten. Demnach spricht man von einer depressiven Episode, wenn die o.a. Symptome über mindestens 2 Wochen anhalten und den Alltag stark beeinträchtigen.

Und es gibt noch ein wichtiges Kriterium: Eine Depression ist eine Krankheit, ernstzunehmend und sehr schlimm. Sie braucht keinen äußeren Auslöser, um sich auszubilden, sondern ist einfach da. Was es für den Betroffenen noch schwerer macht, denn eine Erklärung gibt es schlichtweg nicht.

Tauchen wir noch etwas tiefer ein in die ICD-10, so finden wir die Anpassungsstörung. Diese liegt vor, wenn jemand innerhalb eines Monats nach einer identifizierbaren Belastung Symptome entwickelt, die einer depressiven Episode ähneln. 

Halten wir fest: Eine Anpassungsstörung und eine Depression können ähnliche Symptome haben, aber der Hauptunterschied liegt im Auslöser und der Schwere der Symptome. Eine Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf ein belastendes Lebensereignis, während eine Depression eine eigenständige Erkrankung ist, die nicht unbedingt auf einen spezifischen Auslöser zurückzuführen ist.

Was soll nun dieser Beitrag? Was bezwecke ich damit?

In meiner Praxis begleite ich seit 10 Jahren Klienten in kritischen Lebensphasen. Und oft stellt sich heraus, dass einer vermeintlich zeitlich begrenzten Krise, also Anpassungsstörung, doch eine Depression zugrunde liegt. Was für die Betroffenen in den meisten Fällen ein Schock ist.

Das zeigt mir, wie weit entfernt wir sind von einer echten und unvoreingenommenen Diskussion über dieses Thema. Psychische Erkrankungen stellen noch immer ein Makel dar in unserer Gesellschaft.

Körperliche Erkrankungen werden akzeptiert, vielleicht auch nur geduldet, aber hingenommen. Ein gebrochenes Bein, Migräne, Hämorrhoiden – nehmen Sie, was Sie wollen. Eine Depression dagegen, unter der laut Statistik im Jahr 2024 ca. 10 Millionen Menschen in Deutschland litten, wird nicht ernst genommen. Im Gegenteil: Erkrankte müssen sich oft rechtfertigen, immer wieder dumme Sprüche anhören – die Abwärtsspirale dreht sich schneller.

Was kann man tun?

Fangen Sie bei sich an. Hier und heute. Seien Sie ehrlich zu sich, stehen Sie für sich ein. Sie sind stark, wenn Sie das Problem erkennen und sich bei Bedarf Hilfe suchen. Bei Ihrem Hausarzt zum Beispiel. Sprechen Sie offen über Ihre Beschwerden.

Verdrängung ist der falsche Weg. Ein gebrochenes Bein heilt auch nicht von selbst.

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